Es geht hoch hinaus

Es geht hoch hinaus

Drei Megabauprojekte werden in den kommenden Jahren das Erscheinungsbild von Duisburg verändern. Es ist geplant, die neuen Stadtquartiere mit einer Seilbahn an die Innenstadt anzubinden. So würden die Straßen zur Rushhour deutlich entlastet.

Diese Reportage erschien zuerst im Magazin von Duisburg ist echt: Es geht hoch hinaus: Mit der Seilbahn durch Duisburg
Text: Duisburg ist echt / Redaktionsbüro Ruhr | Bild: Eugen Shkolnikov / Duisburg Kontor

Wir bedanken uns für die Genehmigung zur Veröffentlichung.

Der Portsmouthplatz ist das Tor zur Duisburger Innenstadt. Wer mit der Bahn anreist, kommt hier vorbei. Die große Freifläche prägt den ersten Eindruck, den Besucher von der Stadt bekommen. Wenn Stefan Christochowitz aber nun auf dem Platz steht, hat er keinen Blick für den Ist-Zustand – er sieht das Potenzial für Entwicklung. Er sieht die Zukunft.

Startpunkt am Hauptbahnhof

„Schauen Sie mal! Hier entsteht an prominenter Stelle die erste Station der neuen Strecke. Die wird auf Stelzen gebaut“, sagt Stefan Christochowitz. „Da drüben geht dann eine Fahrtreppe hoch, über die Sie zum Bahnsteig kommen.“ Dann schaut der 60-Jährige nach Süden, zeigt mit dem Finger auf einen Punkt in der Ferne. „Na, und wenn Sie einmal eingestiegen sind, dann fliegen Sie in diese Richtung.“ 

Fliegen? Ja, richtig gelesen.

Duisburg soll etwas bekommen, was in deutschen Großstädten noch absoluten Seltenheitswert besitzt. In ein paar Jahren soll eine mehr als fünf Kilometer lange Seilbahn den Duisburger Hauptbahnhof mit den drei neuen Zukunfts-Quartieren im Süden vernetzen: „Duisburger Dünen“, „Technologie-Quartier Wedau“ und „6-Seen-Wedau“. Es sind Mega-Bauprojekte, die das Gesicht der Stadt grundlegend verändern werden. Und die Seilbahn wird sie miteinander verbinden.

Neue Arbeitsplätze entstehen, zusätzlicher Wohnraum wird geschaffen – das bringt zehntausende Menschen in die Stadt. „Alle reden über die Verkehrswende“, sagt Stefan Christochowitz. „Die Seilbahn ist daher ein wichtiger Baustein, wenn es darum geht, die Menschen, die sich künftig in und zu den neuen Quartieren bewegen, zum Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr zu motivieren.“

Daher ist die Seilbahn ein wichtiger Baustein für die Erschließung der neuen Quartiere und das Duisburger ÖPNV-Konzept. Sie wird das vorhandene Bus-, Straßenbahn- und U-Bahn-Netz ergänzen. Wer etwa ein Deutschland-Ticket hat, kann einfach einsteigen und mitfliegen.

Obendrein punktet die Seilbahn mit weiteren Stärken. Sie zu bauen, wäre deutlich schneller und günstiger, als Schienen zu verlegen oder Tunnel zu graben. Sie macht kaum Lärm und ist umweltfreundlich. Und sobald die Gondeln einmal fliegen, sind die Fahrgäste absolut staufrei und ohne Verspätungen unterwegs. „Die Seilbahn ist eine Riesenchance für Duisburg“, sagt Stefan Christochowitz.

Weiter zu den Dünen

Dann steigt er auf sein Dienstrad und tritt in die Pedale. „Wir fahren jetzt rüber zu den ,Duisburger Dünen‘“, sagt sein Kollege Phillip Gladen (31). „Auf dem Gelände werden unter anderem circa 1.900 Wohnungen gebaut – und die Menschen, die darin leben, wollen mobil sein. Wir planen daher zwei Seilbahn-Stationen in dem neuen Quartier.“

Stefan Christochowitz und Phillip Gladen arbeiten beide als Projektleiter im Bereich der Flächenentwicklung bei der GEBAG. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft hat den Auftrag, das Projekt „Urbane Seilbahn“ so weit voranzubringen, dass die Politik im nächsten Schritt final über die Weiterverfolgung des Projekts und die Beantragung von öffentlichen Fördermitteln entscheiden kann. Sie sprechen dazu mit Seilbahn-Herstellern und Experten, beauftragen Untersuchungen zur Einschätzung der technischen Machbarkeit und der Förderfähigkeit.

Jüngst haben sie das Duisburger Vorhaben bei der Fachmesse „Cable Car World“ präsentiert – „und wir haben unglaublich positives Feedback bekommen“, erzählt Phillip Gladen. „Es hieß, wir haben sehr gute Startvoraussetzungen, um deutschlandweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.“

Nach kurzer Fahrt stoppt der GEBAG-Mitarbeiter nun vor einem Bauzaun. Er steigt vom Rad und öffnet ein Zahlenschloss. Hinter der Absperrung ist das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs. Die Anlage wurde 1996 stillgelegt. Jetzt wird sie entwickelt. In wenigen Jahren erstrecken sich hier die „Duisburger Dünen“ – ein komplett neues Stadtquartier auf einer Fläche von 30 Hektar mit einem Nutzungsmix aus Wohnen, Büros, Dienstleistungen, Gastronomie, einer Schule und Kitas entlang einer großen Parkanlage mit vielfältigen Freizeitmöglichkeiten. 

Der weitere Streckenverlauf der Seilbahn führt in Richtung Sportpark Duisburg. Es ist geplant, einen Parkplatz der Schauinsland-Reisen-Arena in eine weitere Haltestelle zu verwandeln – inklusive Werkstatt und Garage für die Seilbahn-Gondeln. „Bis zu 94 Kabinen können gleichzeitig unterwegs sein, in jede Gondel passen zehn Personen“, sagt Phillip Gladen. Pro Stunde könnten zur Rushhour bis zu 1.500 Personen transportiert werden.

Wieder sitzen Stefan Christochowitz und Phillip Gladen im Sattel. Ihre Fahrt auf der Seilbahn-Route geht weiter. Rechter Hand liegt der Barbarasee, auch er soll mit einem Bahnhof ans Streckennetz angeschlossen werden. „Duisburgs großer Vorteil ist, dass die Seilbahn fast ausschließlich über städtische Flächen fliegt“, sagt Stefan Christochowitz. „In anderen Städten sind Seilbahn-Projekte schon am Widerstand von Anwohnern gescheitert.“

Nächster Halt: TQW

Jetzt erreichen die beiden Männer eine weitere Baustelle. Die dicken Reifen ihrer Diensträder pflügen durch Schotter und Lehm. Schließlich stoppen sie vor einem riesigen Gebäude – die „Alte Richthalle“. Einst wurden hier Züge und Waggons der Deutschen Bahn repariert, bald ist sie das Herz des modernen „Technologie-Quartier-Wedau“. Die Universität Duisburg-Essen wird Teile des Geländes für Forschung und Lehre nutzen, zudem gibt es Platz für Start-ups sowie etablierte Unternehmen aus den Bereichen Wissenschaft und Entwicklung. Schätzungen zufolge werden sich zukünftig täglich allein bis zu 13.000 Studierende auf dem Gelände aufhalten, hinzu kommen weitere rund 3.000 Menschen in den Betrieben.

„Über dem Dach der ,Alten Richthalle‘ wird der Seilbahn-Bahnhof gebaut. So ist der Campus hervorragend an die Innenstadt angebunden“, erklärt Phillip Gladen. „Welcher Student kann schon sagen, dass er morgens mit einer Seilbahn zur Vorlesung fliegt?“

Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Endhaltestelle der Seilbahn. Sie wird sich im Quartier „6-Seen-Wedau“ befinden. Auf dem 60 Hektar großen Areal werden rund 3.000 Wohneinheiten gebaut. Der neue, direkt an der namengebenden Sechs-Seen-Platte gelegene Stadtteil wird ein Zuhause für rund 7.000 Menschen werden.

Anpacken, loslegen

Stefan Christochowitz und Phillip Gladen haben ihre Fahrräder nun auf der Wedauer Brücke abgestellt. Von dort oben beobachten sie im Süden die Bagger auf dem „6-Seen“-Baufeld – und wenn sie nach Norden blicken, sehen sie in der Ferne das 72 Meter hohe Hochhaus am Targobank-Platz. Ungefähr dort hatte ihre heutige Tour begonnen. Mit der Seilbahn läge zwischen den beiden Orten nur noch ein 18-minütiger Flug.

Wenn alles nach Plan läuft, könnte die Seilbahn im Jahr 2030 fertig sein. „Und wenn das gelingt, wären wir mit Blick auf moderne Mobilität und nachhaltige Stadtentwicklung über Jahre an der Spitze“, sagt Stefan Christochowitz. Dann steigen sie wieder auf ihre Räder. Sein Kollege Phillip Gladen greift den Lenker, tritt in die Pedale und fährt los: „Es gibt viel zu tun – packen wir es an!“

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