Unterwegs im Osten der Stadt
Zwischen Bachen und Frischlingen
Der Stadtförster Stefan Jeschke kennt den Wald wie seine Westentasche
Ein Wildschwein hört auf den Namen Blümchen
ZWISCHEN BACHEN UND FRISCHLINGEN
Stefan Jeschke taucht seine Hand in einen schwarzen Plastikeimer und wirft anschließend Maiskörner über einen Zaun. Sofort steckt eine massige Bache ihren Rüssel aus einer kleinen Holzhütte. Sie stapft in den Morast und stürzt sich sofort auf das Futter. „Das ist Blümchen“, sagt Jeschke. Er hat das weibliche Wildschwein sofort erkannt. Nach Blümchen kommen noch weitere Tiere aus der Hütte. Und auch ein Frischling traut sich nach draußen. „Hier leben aktuell vier Schlafanzugträger“, sagt Jeschke. So nennt er die Jungtiere, deren längsgestreiftes Fell an einen Pyjama erinnert.
Das einen Hektar große Wildschweingehege liegt im Osten Duisburgs – mitten im Stadtwald. An der Grenze zu Mülheim an der Ruhr haben 25 Tiere ein Zuhause gefunden. Stefan Jeschke, einer der beiden Duisburger Stadtförster, versorgt die Wildschweine. Das Gehege liegt zwei Fußminuten von seiner Haustür entfernt.
Dass Jeschke jetzt auch Hüter der Wildschweine ist, liegt an einem Ereignis im Jahr 2013. „Ich war gerade dabei, Spaghetti Bolognese zu kochen, als die Polizei bei mir anrief“, erzählt der Stadtförster. Der Beamte am Telefon sagte ihm, dass zwei Wildschweine im Stadtteil Neudorf unterwegs seien. Jeschke drehte den Herd ab und fuhr zur Koloniestraße. „Dort habe ich zwei völlig orientierungslose Frischlinge gesehen“, sagt der 58-Jährige. Mit rund 20 Bewohnern trieb er die Tiere aus dem Wohngebiet zurück in den Wald. Die Rettungsmission glückte.
Fortan sichteten Jogger die beiden Wildschweine immer mal wieder im Wald. „Es war klar, dass wir aus Sicherheitsgründen ein Gehege brauchten“, erklärt Jeschke. Ein eingezäuntes Areal auf dem Grundstück einer stillgelegten Polizeiwache diente zunächst als Provisorium. Mit seinen Kollegen umzäunte Jeschke dann ein Waldstück, stellte Holzhütten auf und kurz danach zogen Schnitzel und Blümchen ein. Die beiden Tiere blieben nicht lange allein. „Wir haben dann noch eine Bache dazugeholt“, sagt Jeschke. „Ich wusste damals allerdings nicht, dass sie hochschwanger war.“ Bald kamen die ersten Frischlinge zur Welt. Die Wildschwein-Population wuchs.
Mittlerweile ist das Gehege eine richtige Attraktion in Duisburg. Rentner schauen sich die Wildschweinerei auf ihren Spaziergängen an. An Wochenenden stehen auch viele Eltern mit ihren Kindern am Zaun. Die Besucher haben Äpfel, Birnen, Möhren oder Kopfsalat eingepackt, um die Wildschweine zu füttern. Wenn ein Frischling auftaucht, dringt häufig ein großes Jauchzen durch den Wald.
Manche Wildschweine leben nur wenige Monate in Duisburg. „Wir sind im Austausch mit einigen Wildparks, denen wir die Tiere anvertrauen können“, erklärt Jeschke. Er stößt in Duisburg bereits an seine Grenzen. Das Gehege im Stadtwald wird Jeschke demnächst erweitern: Die Wildschweine sollen rund 5.000 Quadratmeter mehr Platz bekommen.
Auch Blümchen hat dann mehr Auslauf. Denn während Schnitzel schon lange tot ist, streift die andere Erstbewohnerin weiter durch das Gehege. Die mittlerweile elfjährige Bache liegt auch häufig gemütlich auf dem Strohboden herum. Aber wenn Stefan Jeschke an den Zaun tritt und die Fütterung beginnt, ist Blümchen sofort wieder auf den vier Beinen.
