Rikarda Licht hängt Pullover, Hemden und Jacken an einen Kleiderständer. Da entdeckt sie unter den Klamotten eine Jeans. „Die hat hier nichts verloren“, sagt die 81-Jährige, faltet die Hose und legt sie in ein Regal. Dann geht sie wieder zurück zum Kleiderständer im Eingangsbereich der Kirche St. Peter.
Die pensionierte Lehrerin kennt dieses Gebäude seit Jahrzehnten, schließlich steht es mitten in ihrem Heimatstadtteil Marxloh. Das Gelände rund um die Kirche ist der Petershof, ein sozialpastorales Zentrum für Menschen in Not. Und hier packt Rikarda Licht in der Kleiderkammer mit an.
„Ich wollte mich im Ruhestand ehrenamtlich engagieren – und da war der Petershof der passende Ort für mich“, sagt sie. Weil Rikarda Licht am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium früher auch Musik unterrichtet hatte, leitete sie zunächst eine Flötengruppe. Doch die Kursteilnehmer waren selten verbindlich. „Das hat nicht viel Zweck gehabt, weil es ein ständiges Kommen und Gehen war“, erzählt Rikarda Licht. Also gab sie die Flötengruppe auf.
Der Petershof suchte dann eine Kursleiterin für den Deutschunterricht. Rikarda Licht meldete sich für das Ehrenamt. Schließlich war Deutsch ihr zweites Fach als Lehrerin. „Ich habe dann jahrelang Frauen aus unterschiedlichen Ländern unterrichtet“, sagt sie. „Und das hat mir großen Spaß gemacht.“ Doch dann kam Corona. Rikarda Licht wollte den Kurs durchziehen – doch das war nicht möglich. „Zu gefährlich“, sagt die Marxloherin.
So kam sie dann mit dem Team der Kleiderkammer in Kontakt. „Das ist unsere kleine Boutique“, sagt Rikarda Licht und lacht. Die Einrichtung lebt von Spenden. Hier gibt es Mützen, Schals, Röcke, Schuhe oder Taschen. Kinder freuen sich, wenn sie die Kuscheltiere oder Puzzles in den Regalen sehen. Die Kleiderkammer nimmt meistens symbolische Beträge. So geht der Pullover aus zweiter Hand für einen Euro über die Ladentheke.
Rikarda Licht erlebt in der Kleiderkammer sehr viel Dankbarkeit. „Viele unserer Besucher strahlen vor Freude, wenn sie bei uns für schmales Geld eine Winterjacke bekommen“, sagt sie. „Die können sich nicht mal eben die neue Kollektion aus dem Modehaus leisten.“
Zwei junge Frauen betreten die Kleiderkammer. Rikarda Licht geht auf sie zu. Die Verständigung ist schwierig. Doch sie weiß sofort, was gewünscht ist, und holt zwei Hosen aus dem Regal. Die beiden Frauen mustern die Kleidung und nicken zustimmend. „Ich mag den Kontakt zu Menschen“, sagt Rikarda Licht. „So kann ich in Schwung bleiben.“
Und doch spürt sie in der Kleiderkammer manchmal ihr Alter. „Nachdem ich hier einige Stunden auf den Beinen gewesen bin, fühle ich mich richtig platt“, sagt Rikarda Licht. „Zuhause ruft gleich die Couch. Das Mittagsschläfchen habe ich mir verdient.“
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