In dieser Ausgabe der tach. reisen wir mal in unsere Jugend zurück … Wie war es in der Nachkriegszeit, in der Zeit des Wirtschaftswunders oder in den „Wilden Siebzigern“, ein junger Mensch im Ruhrgebiet zu sein?
Wir beginnen unsere Reise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – eine Zeit, die geprägt war von großen Veränderungen, von Kontrasten und Gegensätzen. Freud und Leid lagen bei dieser Generation Jugendlicher wahrscheinlich so nah beieinander wie in kaum einer anderen Zeit. Die Auswirkungen beider Weltkriege waren auch besonders für Kinder und Jugendliche spürbar. Die Ambivalenz des täglichen Lebens zeigen historische Aufnahmen, wie sie beispielsweise zuletzt in einer Ausstellung im LVR-Industriemuseum in Oberhausen zu sehen waren, besonders eindrucksvoll: Während ein Foto aus der Zeit des Ersten Weltkriegs Kinder im Ruhrgebiet friedlich beim Spielen zeigt, dokumentiert eine andere Aufnahme aus derselben Zeit junge Lehrlinge, selbst noch Kinder, beim Granatenbau. Ein Schnappschuss freudestrahlender Jugend in einer kleinen Achterbahn auf der Kirmes steht im Kontrast zu einer Aufnahme verängstigter Kinder in einem als Bunker dienenden Zechenschacht.
Aufbruch und Rebellion in den 50ern
Die junge Generation im Ruhrgebiet der Nachkriegszeit musste sich nach Jahren der Nazi-Herrschaft neu finden, neu entdecken. Dabei half die Aufbruchstimmung der 1950er-Jahre: Steigende Löhne, sinkende Arbeitszeiten – eine neue Lässigkeit ergriff die deutschen Jugendlichen. Sie waren die Ersten, die eine eigene sichtbare Jugendkultur in der Bundesrepublik etablierten. Die Duisburger Jugend der Adenauer-Ära machte sich locker für die Zeit von Rock ’n‘ Roll und Miniröcken. Auch dank der „Bravo“, die ab 1956 erschien, und dem Magazin „Twen“ wurde der Minirock zum Synonym der Jugend der 1960er-Jahre. Wenige Jahre zuvor hagelte es noch Verweise und Aufschreie, als die ersten jungen Frauen in Hosen die Schule betraten. Aber was Mitte der 1950er-Jahre noch skandalös war, gehörte am Ende des Jahrzehnts bereits zur Normalität. Doch der anfangs als obszön und provozierend geltende kurze Rock war mehr als nur ein Modetrend, er war auch Symbol des inneren Aufbruchs, der Befreiung aus den Zwängen und engen Regeln der Elterngeneration.
Verhaltene Proteste in den 70ern
Duisburg war zwar keine Jugendkultur-Metropole wie Berlin oder Frankfurt, aber auch hier entstand eine bunte, vielfältige Szene: 1966 gründete sich die erste Duisburger Protestsonggruppe „Les Autres“ mit Peter Bursch, später und bis heute bekannt als „Bröselmaschine“. 1968 startete Helmut Loeven das linke Alternativ-Magazin „Der Metzger“ – der Herausgeber führt übrigens bis heute einen alternativen Buchladen namens „Weltbühne“ in Neudorf. Die Protestbewegungen in Duisburg fielen mit Sitzstreiks gegen Fahrkartenerhöhungen, Vorleseboykotts und Streiksemestern an den Fachhochschulen im Gegensatz zu anderen großen Städten allerdings eher gemäßigt aus. Wer seine Jugend in den 1970ern in Duisburg verbrachte, dem klingeln beim Namen „Scotch Club“ auf der Claubergstraße sicher nun die Ohren: Die angesagte Diskothek in der Innenstadt war viele Jahre ein Magnet für Nachtschwärmer. Aber auch das 1974 eröffnete „Eschhaus“ auf der Niederstraße, zweites „freies Jugendhaus der Republik“ und Veranstaltungsort für Diskussionen, Konzerte und Festivals, dürfte der Generation noch ein Begriff sein. Hier tummelten sich die aufkommende Punk-Bewegung und andere Alternative.
Krisen bringen Wandel
Und heute? Die Zeit der großen Diskotheken ist zwar schon lange vorbei, das Ausgeh- und Freizeitangebot ist jedoch insgesamt vielfältiger denn je. Doch nicht nur die Szene hat sich verändert, auch die (junge) Gesellschaft ist einem Wandel unterworfen: Waren in den 1990er-Jahren noch rund 12 Millionen aller Deutschen zwischen 18 und 25 Jahren alt, so sind es heute nur noch 6,5 Millionen. Und auch heute – wie schon vor gut 60 Jahren – ist die Jugend der Gegenwart wieder Zeiten großen Wandels ausgesetzt: der Klimawandel, die Corona-Pandemie und gesellschaftliche Veränderungen haben Einfluss auf die sprichwörtliche „Jugend von heute“. Internet und Social Media lassen die Couch zum neuen Mittelpunkt der Freizeit werden, der Begriff „chillen“ wird zum festen Bestandteil der Jugendsprache und wurde 2003 in den Duden aufgenommen.
Aber Duisburg hat den jungen Leuten viel zu bieten, wenn sie genug vom Chillen haben: Landschaftspark Nord, die Sechs-Seen-Platte, der Rheinpark und nicht zuletzt eine vielfältige Museen-Landschaft und Kulturszene. Zahlreiche Clubs und Veranstaltungskneipen bringen über die Stadt verteilt Kleinkunst und angesagte Livemusik auf die Bühnen. Kultureller Szenetreffpunkt ist neben dem Steinhof in Huckingen vor allem der citynahe Dellplatz, beispielsweise mit dem im letzten Jahr wiedereröffneten BORA, das früher mal Grammatikoff hieß. Jung sein in Duisburg, das ist gar nicht mal so schlecht!
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