12 Uhr
Hoch über der Stadt, im Turm der Salvatorkirche, wird der Mittag eingeläutet.
12 Uhr. Es rumpelt, es rattert – dann geht es los. Die große Kirchenglocke setzt sich in Bewegung. Sie schwingt auf und ab. Der Klöppel trifft auf Metall. Immer wieder, im eingängigen Rhythmus. Der Klang ist ohrenbetäubend. Hoch über der Stadt, im Turm der Salvatorkirche, wird der Mittag eingeläutet. „Die Zeiten, in denen der Küster an einem Seil zog, um die Glocken zu läuten, sind lange vorbei. Das läuft längst alles elektronisch ab“, sagt Martin Winterberg (59). Seit 27 Jahren ist er Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Duisburg, seit dem Jahr 2011 an der Salvatorkirche.
Drei Glocken hängen im Turm der Kirche. Eine Aufschrift verrät, dass sie 1923 in Bochum gegossen wurden. Jetzt, um 12 Uhr, bleiben die „Salvatorglocke“ und die „Heldenglocke“ still. Nur die mächtige „Friedensglocke“ schlägt die Stunde. Ein besonderes Symbol in Zeiten des Kriegs in der Ukraine. Der Klang der Glocke wird durch sogenannte Schallluken hinaus und hinab geleitet. „Dahin, wo die Menschen sind“, sagt Martin Winterberg.
Um die Glocken zu erreichen, muss der Pfarrer eine steile Wendeltreppe hinaufsteigen. Abgebröckelter Putz knirscht unter seinen Sohlen, an den Wänden hängen Spinnweben. Seine rechte Hand umfasst das kühle Metall des Handlaufs. „Ich komme nicht oft hier hoch“, sagt er. „Früher habe ich die Kirchenglocken jedes Jahr den Konfirmanden gezeigt, aber inzwischen geht das aus Sicherheitsgründen nicht mehr.“
Kurzer Film: Interview mit Pfarrer Martin Winterberg!
Die Aussicht vom fast 90 Meter hohen Plateau des Glockenturms ist atemberaubend. Weit geht der Blick über die Stadt und die Region. Der Wind trägt das Rauschen der Stadt hinauf. „Mich beeindruckt diese Kirche immer wieder“, sagt Winterberg. „So wie sie hier steht, ist sie immerhin Zeuge von 700 Jahren Stadtgeschichte. Und schon vorher, um das Jahr 900 gab es hier eine Kapelle aus Holz.“
Die Salvatorkirche ist längst zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. „Sie ist ein Ort des Gottesdiensts und des öffentlichen Lebens“, sagt Martin Winterberg. „Sie ist eine Kirche, die sich für die Gesellschaft öffnet.“ In seinem Haus gibt es daher immer wieder Diskussionsveranstaltungen und Ausstellungen, das Akzente-Festival war schon zu Gast, ebenso die Ruhrtriennale.
Das Geläut verstummt. Martin Winterberg macht sich an den Abstieg. Doch vorher blickt er noch einmal in die Höhe und weist auf die fehlende Kirchturmspitze. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie bei einem Bombenangriff zerstört. Ein Wiederaufbau ist nicht möglich. Das alte Gebäude könnte das Gewicht nicht tragen. „Mein Traum ist es daher“, sagt Winterberg, „hier oben Laser zu installieren, mit denen wir die fehlende Spitze nachts in den Himmel zeichnen können.“
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